
Auf meinem Blog lydiaswelt schreibe ich ganz viel über Lösungen, die ich mir in meinem Alltag als blinde Mutter mit sehenden Kindern erarbeitet habe. Ich möchte durch meine ehrenamtliche Arbeit mithelfen Vorurteile gegenüber Eltern mit einer Behinderung abzubauen. Und das schafft man bekanntlich durch Überzeugungsarbeit.
Für die meisten Dinge aus meinem Alltag gab und gibt es eine Lösung. Heute möchte ich über eine Sache schreiben, die mich über mehrere Jahre beschäftigt und Nerven gekostet hat. Ich möchte an einem Beispiel veranschaulichen, warum Elternassistenz als Unterstützung für Eltern mit einer Behinderung wichtig ist. Denn nicht jedes Elternteil hat ein soziales Umfeld, das da hilft, wo es notwendig ist, ohne sich als selbsternannter Miterzieher zu verstehen.
Meine Kinder waren sechs und sieben Jahre alt, als meine Tochter Läuse aus der Schule mitbrachte. Ich bekam das erst mit, als auch mein Sohn und ich davon befallen waren. Das hatten wir schon ein oder zweimal. Aber diesmal war es ein Alptraum, der sich über mehrere Wochen hinziehen sollte.
Für uns hieß es erst mal, dass sowohl meine Tochter nicht in die schule konnte, als auch ich nicht zur Arbeit. Und auch mein Sohn blieb aus dem Kindergarten zuhause, obwohl er das Viehzeug nicht so anzog. Waschmaschine und Trockner liefen alle zwei Tage prophylaktisch im Akkord. Denn ich konnte nicht sehen ob irgendwo Nissen oder Läuse waren. Alles an Textilien, Stofftieren, usw., was mit mir und den Kindern in Berührung gekommen war, wurde gereinigt.
Sowohl ausgewachsene Kopfläuse als auch Nissen sind so gut wie gar nicht fühlbar. Erst recht nicht bei dickerer Haarstruktur oder Locken. Ein blindes Elternteil ist somit nicht in der Lage, diese durch ertasten wahrzunehmen. Und es ging wirklich nicht. Ganz gleich wie oft ich mir Mühe gab. Ich führte die Behandlung mit den gängigen Antiläusemitteln durch, und kämmte und kämmte. Aber ich hatte keine Kontrolle über den Erfolg. Jeden zweiten Tag gingen wir zum Arzt, damit dieses Kontrollieren konnte. Mehr konnte und durfte er nicht für uns tun. Gleiches galt auch für das Jugendamt, und das das Gesundheitsamt, die ich ebenfalls nach Hilfe fragte. Die einzigen Ratschläge, die ich bekam, waren mich an die ansässige Blindenselbsthilfe zu wenden, oder mal sehende Freunde anzusprechen. Kurz, nichts wirklich brauchbares.
Die einzige Idee, die von meiner Apotheke kam, war sich an einen ambulanten Pflegedienst zu wenden. Die Kosten liegen locker im zweistelligen Bereich pro Kopf und Stunde. Kosten, die von keiner Krankenkasse getragen oder bezuschusst werden. Dennoch hätte ich alles daran gesetzt dieses Geld irgendwo aufzutreiben. Aber die Pflegedienste, die ich anrief, hatten dafür keine Kapazitäten, oder fühlten sich nicht zuständig. Und mir lief die Zeit weg. Den Schulstoff für meine Tochter konnte ich noch irgendwie mit ihr nachholen. Aber mein Arbeitgeber fand es nicht besonders witzig, dass ich jetzt einfach so lange wegen meinen Kindern fehlte. Und ich wollte ihm nicht erklären warum. Denn ich wollte nicht in die Schublade unhygienischer Eltern wandern.
Ungefähr zwei Wochen nach Beginn der Aktion telefonierte ich mit einer Mitarbeiterin vom allgemeinen Sozialdienst. Ich weiß noch, dass diese mir empfahl sehende Bekannte oder Freunde anzusprechen. Und hier verlor ich einfach die Beherrschung, und schrie sie an. Ich hatte ihr doch eben erst erklärt, dass ich niemanden habe, der mir bei der Läusebekämpfung hilft. Ich war mit meiner Selbstbeherrschung am Ende, und hatte nicht mehr die Kraft alles noch einmal in Ruhe zu erklären. Die Frau bekam einfach mal den aufgestauten Frust der letzten Wochen ab. Irgendwie schaffte ich es mich zu entschuldigen und das Gespräch zu beenden. Sie versprach mir einen Rückruf. Aber daran glaubte ich nicht wirklich. Denn andere Stellen hatten sich auch nicht mehr bei mir gemeldet.
Eine halbe Stunde später rief sie zurück, und gab mir die Telefonnummer einer mobilen Haushaltshilfe. Diese kam noch am selben und noch mal am darauffolgenden Tag, und half mir das Problem zu beseitigen. Und es kostete mich weniger als ein Pflegedienst.
Für die Zukunft hielt ich es so, dass ich jemanden dafür bezahlte, der einmal in der Woche kontrollierte, ob einer der Kinder Nissen oder Läuse hatte. Diese Hilfe wurde auch für das Auskämmen bezahlt, wenn sich mal ein Tier auf eines der Köpfe verirrt hatte. Das kostete Geld, bewahrte mich jedoch vor einem möglichen drohenden Arbeitsplatzverlust. Außerdem kostete es mich weniger Nerven, wenn ich nicht vor dem Problem stand eine groß angelegte Läusebekämpfung zu organisieren. Schließlich war es ein überschaubarer Zeitabschnitt, der endete, nachdem wir die Grundschulzeit hinter uns gelassen hatten.
Vielen Dank an Lydia für den wichtigen Gastbeitrag zu dem Thema.
Auch an anderen Stellen sieht man immer wieder wo Not am Mann ist und weitere Hilfen einfach nötig sind um die Barrierefreiheit zu fördern.
Ich freue mich immer über die Kommentare von Lydia unter meinen Blogbeiträgen, weil sie einfach offen und klar schreibt, wie sie in ihrer Familie mit den Dingen umgehen, die ich beschreibe.
Bitte weiter so.
Willst du auch gern einen Gastbeitrag schreiben über ein Thema das dich bewegt, dass nicht in deinen Blog passt – aber in meinen oder weil du auf etwas bestimmtes aufmerksam machen möchtest?
Schicke mir deinen Beitrag gern per Mail an keller.anja-ät-arcor.de zu.
sehr informativ…die Mutter meiner Arbeitskollegin ist auch blind..
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[…] Auto fahren können. Ein sehr anschauliches Beispiel habe ich für Anja von „Die Kellerbande“ hier […]
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